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Beitrag vom 20.04.2003
Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr
Jessica Cohen
Claude Lanzmann (Regisseur von Shoah) dokumentiert die Erzählung von Yehuda Lerner, der am einzigen jemals gelungenen Aufstand in einem Vernichtungslager der Nationalsozialisten beteiligt war
Yehuda Lerner erzählt voller Lebensfreude und -kraft von dem Aufstand der Juden im nationalsozialistischen Vernichtungslager Sobibor. Gestenreich und nicht ohne Humor schildert er, wie der Aufstand geplant und durchgeführt wurde.
Gelingen konnte er nur dank der Pünktlichkeit der "Deutschen", die am 14. Oktober 1943 um 16 Uhr einen Termin bei den jüdischen Handwerkern des Lagers hatten - um umgebracht zu werden.
Sehr präzise befragt und filmt Regisseur Claude Lanzmann seinen Gesprächspartner. Die Aufzeichnung stammt von 1979, als Lanzmann Shoah drehte. Er nahm das Gespräch mit Yehuda Lerner jedoch nicht in seinen Dokumentarfilm mit auf: "Der Aufstand von Sobibor konnte nicht nur eine Episode von Shoah sein. Er verdiente einen eigenen Film, verlangte, für sich allein behandelt zu werden. Der Aufstand ist tatsächlich ein paradigmatisches Beispiel für das, was ich in anderem Zusammenhang die Wiederaneignung von Kraft und Gewalt durch die Juden genannt habe." (Claude Lanzmann)
Claude Lanzmann filmt die Orte, Landschaften, Eisenbahnstrecken von denen Yehuda Lerner erzählt. Viel Zeit ist vergangen. Der Bahnhof von Sobibor ist heruntergekommen. Die Rampe, auf der mehr als zweihundertfünfzigtausend Juden entladen wurden, damals nur ein grasbewachsener Bahndamm, ist jetzt auf primitive Weise zementiert, um das Einladen von Holzstämmen zu ermöglichen.
Der eigentliche Film ist von zwei Texten umrahmt.
Anfangs schildert Claude Lanzmann die Entstehungsgeschichte und das Ziel seines Filmes: "Es gilt, eine zweifache Legende richtig zu stellen: die erste, die besagt, die Juden hätten sich ohne Vorahnung und ohne Misstrauen in die Gaskammern führen lassen, ihr Tod wäre "sanft" gewesen, und die zweite, der zufolge sie ihren Henkern keinen Widerstand entgegengesetzt hätten."
Am Ende des Films erscheinen auf der Leinwand die Daten und Herkunftsorte aller Transporte in die Gaskammern von Sobibor und, sofern sie vorliegen, die Zahlen der Menschen, die dorthin transportiert wurden, um getötet zu werden.
Claude Lanzmann spricht diese statistischen Angaben wie ein schmerzhaftes Totengebet.
Sobibor, 14 octobre 1943, 16 heuresSobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr
Regisseur: Claude Lanzmann
95 Minuten, Kinostart: 3. April 2003
Sprache: hebräisch, französisch
Verleih: Freunde der dt. Kinemathek
Frankreich 2001